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Kölner -Kult-Treff

 
 
 

"Wir reden viel miteinander"
Ein Gespräch mit Dagmar Hessenland und Dieter Schaad
im Juli 2005

Dagmar Hessenland und Dieter Schaad


 
Vor über 15 Jahren hatten Dagmar Hessenland und Dieter Schaad als Elisabeth Dressler und Dr. Manfred Pauli ihren letzten Auftritt in der Lindenstraße. Während die beiden in der Serie nur für kurze Zeit eine Liaison miteinander hatten, sind sie im wirklichen Leben nun schon seit 37 Jahren ein Paar.
 
Warum Dagmar Hessenland und Dieter Schaad damals die Lindenstraße verlassen haben, was sie heute machen und wie ausgefüllt sie ihre freie Zeit miteinander verbringen, das alles und noch viel mehr erfahrt ihr in unserem großen Interview mit dem sympathischen Schauspieler-Ehepaar, das auch heute noch gemeinsam auf der Bühne steht.
 

 
 
 

Frau Hessenland, warum sind Sie aus der Lindenstraße ausgestiegen?
Ich dachte, dass sich die Rolle erschöpft hat und ich hatte auch wieder Sehnsucht zum Theater.
 
Haben Sie es jemals bereut aus der Lindenstraße ausgestiegen zu sein?
Nein, ich habe es nie bereut. Kann ich nicht sagen. Nach 15 Jahren würde es mich reizen, für eine begrenzte Zeit wieder in der Lindenstraße zu arbeiten, vielleicht als Schwester von Elisabeth oder Ludwig Dressler hat Visionen und begegnet seiner Elisabeth wieder..., oder, oder, oder... Das könnte ich mir schon irgendwie vorstellen. Das würde mir Freude machen. Die Lindenstraße ist auch eine gute Serie und sie ist mir in guter Erinnerung geblieben.
 
Ja, ich habe nach der Lindenstraße gedacht, dass sich für mich noch eine interessante Fernsehkarriere entwickelt, aber das war nicht der Fall. Ich habe dann zwar noch in Serien gespielt, auch in einer 14teiligen Serie, aber das war alles nicht das, was ich wollte. Ich hätte gerne Fernsehspiele gemacht, das hätte mich wirklich sehr interessiert und gereizt. Die Rolle Elisabeth Dressler ist mir noch lange Zeit nachgehangen, das hat mich blockiert, auch frustriert, eine Zeit lang sogar deprimiert, aber dann habe ich mich ganz auf das Theater konzentriert und dort wieder eine große Erfüllung gefunden mit tollen Rollen, die mir anvertraut wurden und dafür bin ich sehr dankbar.
 
Würden Sie denn heute wieder in so einer Dauerserie mitspielen und nach einer gewissen Zeit aussteigen?
Ja, ich würde es wieder machen, denn für mich wäre es zu eintönig über einen so langen Zeitraum ein und dieselbe Rolle zu spielen.
 
Herr Schaad, sind Sie auch aus eigenem Wunsch aus der Lindenstraße ausgestiegen?
Nein, das war von vornherein drehbuchtechnisch auf ein halbes Jahr fixiert, weil Ludwig Dressler Dr. Pauli dann wegen dem Verhältnis zu Elisabeth entlassen hat. Das war also gar nicht geplant, dass die Rolle weiter ausgebaut wird. Bis auf die kurze Episode, wo Dr. Pauli als Organhändler dann später noch mal in Wien auftrat.
 
Aber ich mache ja nach wie vor noch viel Fernsehen. Deshalb ist für mich der Ausstieg auch kein Abschied vom Fernsehen, sondern einfach nur ein Abschied von der Lindenstraße gewesen. Wobei mir das halbe Jahr sehr gut in Erinnerung geblieben ist. Wir haben auch das Glück gehabt, dass die Karin Hercher (Regisseurin) all unsere 24 Folgen gedreht hat und das war ein sehr schönes Arbeiten mit ihr, was ich sehr gut in Erinnerung habe.
 
Schauen Sie sich die Lindenstraße heute noch manchmal an?
Dieter Schaad:
Manchmal ja. Einfach um zu sehen, was für eine Entwicklung sie jetzt nimmt und was für neue Figuren jetzt drin sind. Wir sehen sehr begabte junge Leute, wir sehen aber auch, dass die Schnittfolge sich sehr erhöht hat und das ist für uns ein Problem. Das finden wir nicht so gut.
 
Habe Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Kollegen?
Dagmar Hessenland:
Zu einigen wenigen habe ich noch Kontakt. Auch zu einigen vom Team und das finde ich beglückend und sehr schön.
 
Dieter Schaad:
Kontakt habe ich weniger. Außer bei den Festen und Veranstaltungen, wie zum Beispiel damals bei der Lindenstraße-Gala im Maritim Hotel, da habe ich die alten Kollegen sehr nett wiedergetroffen und begrüßt. Und vor allem jetzt bei der 1000. Folge waren wir sehr nett zusammen mit den alten Kollegen. Mit Ludwig Haas, Irene Fischer, Marie-Luise Marjan, mit Georg sowieso... Da war ein sehr nettes Zusammensein. Das war schon fast wie ein Klassentreffen.
 
Werden Sie denn heute noch auf der Straße von Lindenstraße-Zuschauern erkannt und angesprochen?
Dieter Schaad und Dagmar Hessenland:
Ja, witzigerweise immer noch.
 
Freut einen das oder wird das im Laufe der Jahre nerviger?
Dagmar Hessenland:
Nein im Gegenteil. Es war früher so, dass ich es am Anfang ganz schön fand, dann kam die Phase, wo es einen genervt hat und dann kam die Phase, wo ich souverän damit umgegangen bin und jetzt ist es okay. Ich staune nur, dass ich immer noch erkannt werde. Erst einmal bin ich 15 Jahre älter geworden und dann sind die Haare ganz anders. Ich habe sie extra lang wachsen lassen, damit ich eben nicht mehr dieses Image habe, aber ich habe mich bei vielen Menschen doch wohl irgendwie sehr eingeprägt.
 
Was sagen Sie denn zu Ihren ehemaligen Lindenstraße-Kollegen, die nun schon seit 20 Jahren dabei sind?
Dieter Schaad:
Ich bewundere das, dass man das auf so eine lange Zeit machen kann und immer die selbe Rolle spielt und sie gut spielt und sie professionell durchzieht, das finde ich beachtlich, wenn man das über 20 Jahre machen kann.
 
Dagmar Hessenland:
Dem schließe ich mich an!
 
Frau Hessenland, in der Presse war zu lesen, dass Sie sich vorstellen könnten, wieder in die Lindenstraße einzusteigen, z.B. als Schwester von Elisabeth Dressler. Gibt es da schon nähere Pläne?
Nein, dazu kann ich nur folgendes sagen: Ich war über die Überschrift von diesem Artikel entsetzt. Das war ein Journalist, mit dem ich mich wirklich gut unterhalten habe, aber ich habe einen Fehler gemacht: So wie früher habe ich dieses Mal nicht daran gedacht zu sagen, er soll mich zurückrufen und mir die Story vorlesen. Und dann stand groß über dem Artikel: "Dagmar Hessenland möchte wieder in die Lindenstraße". Ich war entsetzt. Denn auch die Kollegen vom Theater in Düsseldorf haben gesagt: "Was? Wieso? Was will sie?". Und Hans W. Geißendörfer würde sicher sagen: "Was redet die denn da?" Ich hab mit ihm überhaupt kein Gespräch darüber gehabt. Innerhalb des Artikels steht, dass mir eine Rückkehr für ein halbes Jahr Freude machen würde. Das habe ich gesagt, das ist in Ordnung. Aber ich habe nie gesagt, ich möchte wieder in die Lindenstraße. Und so werden dann die Dinge verzerrt und schaden einem dann auch.
 
Herr Schaad, Sie stehen auch heute noch vor der Fernsehkamera, spielen aber auch sehr viel Theater. Haben Sie noch Lampenfieber, bevor Sie eine Bühne betreten?
Dieter Schaad:
Man ist angespannt. Aber es wäre auch fatal, wenn Routine aufkommen würde, weil es dann an Spannung, Improvisität und Spontaneität verliert. Die Routine darf nicht aufkommen und deshalb ist man wirklich in der Konzentration vor der Vorstellung angespannt.
 
Wie kritisch sehen Sie sich selber, wenn Sie auf der Bühne stehen?
Dagmar Hessenland:
Ich bin mutig und kann mich anschauen. Ich bin über manches entsetzt, aber ich kann sehr viel aus meinen Fehlern lernen.
 
Lesen Sie sich denn auch die Kritiken über Ihre Theaterstücke und über ihre Fernsehrollen durch und wie gehen Sie damit um?
Dagmar Hessenland:
Es kommt erst einmal darauf an, was die Kritik für einen Stil hat. Und wenn der gut ist, dann denke ich, auch wenn es eine Kritik ist, die mich verreißt, dass da was dran ist! Ich überlege mir dann, warum der Kritiker das geschrieben hat und öffne mich für seine Kritik. Das kann oft bereichernd sein!
 
Wie ist das denn für Sie zusammen als Ehepaar auf der Bühne zu stehen? Kann man da Privatleben und Beruf noch gut auseinanderhalten?
Dieter Schaad:
Das wird ganz professionell gehandhabt. Das geht auch völlig problemlos. Ob da der einer mehr oder der andere weniger Erfolg hat oder ob die Rolle von einem besser ist oder die Rolle vom anderen ist besser... Das ist mal so und mal so und das ist bei uns überhaupt kein Problem.
 
Dagmar Hessenland:
Es gibt ja Paare, die sind eifersüchtig aufeinander oder können das nicht verkraften, wenn der andere mehr Erfolg hat, aber das ist Gott sei Dank bei uns nie der Fall gewesen. Im Gegenteil, wir unterstützen uns und sind aber auch sehr kritisch miteinander.
 
Seit wieviel Jahren stehen Sie denn gemeinsam auf der Bühne?
Dagmar Hessenland:
Oh, seit 1968, meiner Anfängerzeit. Da haben wir uns kennen gelernt und seitdem spielen wir auch zusammen.
 
Dieter Schaad:
Im Herbst werden es jetzt 37 Jahre.
 
Haben Sie noch eine Traumrolle, die Sie gerne mal spielen möchten?
Dieter Schaad:
Eine spezielle habe ich nicht. Am Theater habe ich gar keine Wünsche offen und schöne Fernsehrollen interessieren mich immer wieder. Aber ich kann jetzt keine Rolle nennen.
 
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Dieter Schaad:
Wir gehen viel an die Luft und wir sind auch sehr begeisterte Kinogänger. Und meistens sagen wir auch: "Der Film hat sich gelohnt." Wir gehen vor allem mittags sehr gerne ins Kino, wenn zwei Leute nur drin sitzen, denn dann haben wir das ganz Kino für uns.
 
Dagmar Hessenland:
Wissen Sie, was wir machen? Sie werden jetzt lachen, das wird sich jetzt sicher sehr komisch anhören, aber wir reden miteinander! Wir sind sehr froh, wenn wir Zeit finden und abends zu Hause sind. Dann stellen wir nicht den Fernseher ein, sondern wir reden miteinander ganz offen: Viele Stunden, viele Tage, viele Jahre... Das braucht viel Zeit, wissen Sie, viel Einfühlungsvermögen. Viel Verständnis, viel Humor, viel Liebe.
 
Was hat man sich abends noch zu erzählen, wenn man schon den ganzen Tag zusammen war?
Dieter Schaad:
Jeder erlebt die Dinge anders, fühlt anders und empfindet anders. Allein wenn man das austauscht, dann gibt es so viel Gesprächsstoff.
 
Dagmar Hessenland:
Es geht auch nicht nur um den Alltag, es geht eigentlich mehr um Zwischenmenschliche, wie man was empfindet, wie man was gesehen hat.
 
Sprechen Sie denn auch über den Beruf?
Dieter Schaad:
Da sprechen wir eigentlich am wenigsten drüber. Wir sprechen über Tagesabläufe, wir sprechen über Dinge, die in den Zeitungen stehen, die wir gelesen haben.
 
Dagmar Hessenland:
Wir sprechen über Dinge, die uns bewegen. Also ich will es so sagen, wenn man wirklich miteinander spricht, dann sind es gar nicht die Dinge, die von Außen an einen ran kommen, sondern Dinge, die einen von Innen her bewegen. Und die aufzudecken und da den Mut haben drüber zu reden, das ist spannend. Es gibt viele Paare, die sitzen abends vor dem Fernseher und haben sich nichts mehr zu sagen. Und das ist so ein nebeneinander herleben, ein positives möglicherweise, aber keiner kennt den anderen. Wir lernen uns immer wieder neu kennen! Und wenn das Miteinander mal eingeschlafen ist, dann wird es eben aufgerissen, auch wenn das manchmal weh tut. Aber lohnen tut es sich immer und langweilig wird’s bestimmt nie bei uns!
 
Gibt es irgendeinen Traum, den Sie sich noch gerne erfüllen möchten?
Dagmar Hessenland:
Ich habe einen Traum, dass ich jeden Tag wirklich bewusst lebe. Da gibt es so viel zu sehen und zu erleben. Das Rufzeichen bei meinem Handy ist "Happy Birthday". Ja, jeder Tag ist doch im Grunde ein Geburtstag, oder nicht?
 
Dieter Schaad:
Ich denke, da ich etwas älter bin, Gesundheit ist was so Wichtiges, dass man sich bewusst machen muss, was für ein kostbares Gut man hat, wenn man gesund ist. Und dass man da einiges für tun muss, das ist klar. Selbst wenn man nur zwei Mal die Woche ins Fitness-Studio geht, um sich ein bisschen fit zu halten. Aber dass man sich einfach darüber im Klaren ist, wieviele Menschen im Alter gesundheitlich erhebliche Einbußen haben und dass man wirklich glücklich sein kann, wenn man gesundheitlich gut drauf ist.
 
Wenn Sie Ihr Leben noch einmal leben könnten, gibt es Dinge, die Sie heute anders machen würden?
Dagmar Hessenland:
Das ist eine sehr schwierige Frage. Alles besteht aus Ursache und Wirkung. Ich möchte mir nicht am Ende meines Lebens sagen müssen: "Ach hätte ich doch..."
 
Dieter Schaad:
Ich habe immer zwischen zwei Berufen gerungen. Das war zum einen die Juristerei, bedingt durch meinen Vater, der Richter war. Das ist ein Beruf, der mich sehr interessiert hätte. Und ich kann gar nicht beantworten, wenn ich noch einmal leben würde, ob ich nicht dann vielleicht Richter werden wollte. Aber nun bin ich Schauspieler geworden und bin mit dem Beruf auch sehr zufrieden. Aber ob ich in einem neuen Leben wieder Schauspieler werden und alles wieder genauso machen würde, das kann ich nicht beantworten.
 
Dagmar Hessenland:
Ich glaube, ich würde wieder Schauspielerin werden, denn das ist schon ein sehr spannender und aufregender Beruf. Aber was würde ich anders machen? Es hat alles seine Zeit. Und ob ich dieses oder jenes damals oder heute, richtig oder falsch gemacht habe: Es ist alles zu seiner Zeit richtig. Alles hat seine Zeit und alles hat seine Richtigkeit und unsere Aufgabe ist es daraus zu lernen und sich weiter zu entwickeln. So einfach ist das!
 
Was halten Sie von dem Fankult gegenüber der Lindenstraße? Wenn Sie hören, die Leute faszinieren sich so für die Serie und es gibt 25 Fanclubs von der Lindenstraße.
Dagmar Hessenland:
Ich bin sehr überrascht und erfreut. Ich habe das Gefühl, ihr Leute habt so eine stille Heiterkeit und Liebenswürdigkeit und trotzdem so eine Ernsthaftigkeit. Das finde ich sehr sympathisch und das spricht mich an. Ich fühle mich bei euch sehr gut "aufgehoben" und danke euch für das warmherzige Gespräch.
 

 

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